von Jessica Farina

Das wichtigste vorweg: Bauchtanz ist ein Tanz, und zwar ein Tanz des GESAMTEN Körpers, nicht nur des Bauches. Ich halte allerdings Sie, lieber Leser, für klug genug, dies ohnehin anzunehmen...

Nachdem das geklärt ist, möchte ich kurz das beeindruckende Prinzip dieses Tanzes darstellen.
Beim Bauchtanzen schiebt die Tänzerin (oder der Tänzer) z.B. scheinbar mühelos den Kopf hin und her während zur selben Zeit die Hüften vibrieren und die Beine langsame fließende Schritte vorwärts machen... Der Brustkorb schnellt nach links während die Arme sich weich wie zwei Schlangen durch die Luft schlängeln... Dahinter steckt das Prinzip der ISOLATION, das heisst der voneinander völlig entkoppelten Bewegung zweier oder sogar mehrerer Körperteile.

Isolationszentren gibt es im Körper einige: Kopf, Schultern, Arme, Hände, Brustkorb, Bauch, Becken, Beine. Das allein bietet schon "1001" Möglichkeiten des Tanzens, aber ein weiteres typisches Merkmal des Bauchtanzes ist seine Vielfalt im Ausdruck, die sich in einer unerschöpflichen Vielfalt der Emotionen in der arabischen Musik findet. Von himmelhochjauchzend über den allergrößten Herzschmerz der Welt (ja, hier übertreibe ich nicht, die arabische Musik ist wirklich unglaublich intensiv) bis hin zu Sehnsucht und Koketterie ist jede Facette der menschlichen Emotion vertreten!

Bauchtanz wirkt kräftigend auf alle Muskeln, die zur Bewegungsführung einer Isolation nötig sind. Das sind eine Menge Muskeln, bezogen auf jedes Isolationszentrum (s.o.)! Die Arme, die Beine und der gesamte Rumpf werden trainiert. Drehungen und Schritte fördern die Orientierungsfähigkeit im Raum und das Gleichgewicht. Die immer vorhandene "stabile Körpermitte" führt zu einer aufrechten Haltung und einem starken Rücken!

Aber auch auf psychischer Ebene wirkt dieser Tanz positiv. Viele Frauen berichten von einer erhöhten Selbstakzeptanz und sogar einem stärkeren Selbstbewußtsein. Die bewußte Konzentration auf z.B. das Becken führt zur Auseinandersetzung mit einer vielleicht vernachlässigten Körperstelle... Viele Frauen erleben sich durch den Bauchtanz als weiblicher.

Und nicht zuletzt erhöht diser Tanz während des Tanzens einfach die Stimmungslage und macht ein kleines Stück weit glücklich und zufrieden!


Oft werde ich gefragt, ob ich den echten türkischen Stil tanze, so "wie die Tänzerin damals im Türkeiurlaub". Manche andere wissen auch, dass es noch den ägyptischen Stil gibt. Doch auch das sind nur halbe Wahrheiten. Denn der Bauchtanz oder Orientalische Tanz bietet ebenso zahlreiche Stilrichtungen, wie die Kulturen des "Orients" zählen.

...oder darf es etwas mehr sein?
Da gibt es den klassischen und sehr weit verbreiteten "ägyptischen" Raks Sharki ("östlicher Tanz"), der sich in seiner heutigen Form durch Eleganz und filigrane Arbeit aller Isolationszentren auszeichnet. Daneben gibt es z.B. den Raks Baladi ("Tanz vom Lande"), ein eher folkloristischer Tanz mit Kleid, Hüfttuch und Kopftuch, dessen zentrales Merkmal die Improvisation ist. Die Gefühlslage wechselt in einem breiten Spektrum, jedoch ist das Sehnsuchtsthema zentral und mit ihm ausdruckvolle Armbewegungen und Beckenisolationen - zum Dahinschmelzen schön! Eine Art des Baladi ist außerdem der Raks iskanderani ("Tanz von Alexandria"), bei dem mit einem großen schweren schwarzen Verhülltuch, der Melaya Lef, getanzt wird. Ein sehr frecher Tanz, der viel Selbstbewußtsein und Provokation ausdrückt.
In Persien heißt der typische Tanz Raks Arabi ("Arabischer Tanz"), in Griechenland gibt es den cifte tellia und in der Türkei schließlich den gobek dans, in dessen heutiger Form vor allem Hüftbewegungen, kaum Brustkorbbewegung und recht schnelle Tempi dominieren.

Seitdem in den 20er Jahren der typische Tanz in den orientalischen Ländern den Weg auf die Bühne fand, wurde mehr und mehr an dessen Bühnentauglichkeit gefeilt - und so entstanden wieder neue Arten des Tanzes. Der amerikanische Stil ist vor allem durch den eleganten Raks Sharki beeinflußt, gepaart mit Variete- und sogar Ballettfiguren. Neuere Stilrichtungen sind der ATS (American Tribal Style) und der Tribal Fusion Style, bei dem sehr komplizierte Techniken mit binnenkörperlichen Bewegungsformen und akrobatischen Elementen wie Brückeaus dem Stand und Spagat dominieren. Die Tänzerinnen tragen großflächige Tätowierungen über Bauch, Rücken und Armen und typische Kleidung. Die Musik hierfür ist selten klassisch arabisch, sehr häufig mittelalterlich, aber auch Heavy Metal oder meditative Musik werden eingesetzt.

Mein persönlicher Tanzstil ist stark an den klassisch arabischen Raks Sharki angelehnt.


Dieser Artikel wird fortgesetzt mit dem Thema

Ursprünge des Bauchtanzes